📢 Technik NEWS: Mediamarkt & Saturn bald in chinesischer Hand – Was hinter der JD.com-Übernahme steckt
- Jenn von Jemke
- vor 4 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Von Jennifer Bristow, 31. Juli 2025
Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz: JD.com, einer der größten Onlinehändler Chinas, übernimmt die Ceconomy AG – und damit auch die traditionsreichen Marken Mediamarkt und Saturn.
Jahrzehntelang galten sie als feste Größen im europäischen Elektronikhandel. Nun stehen sie vor einem historischen Wandel, der nicht nur betriebswirtschaftlich relevant ist,
sondern auch gesellschaftspolitisch diskutiert wird. Was bedeutet das für Beschäftigte, Kund:innen und den Einzelhandel in Europa?
1. Der Deal im Detail: Zahlen, Eigentümerstruktur & strategische Ziele
Im Mittelpunkt steht die Düsseldorfer Ceconomy AG, Mutter der MediaMarkt Saturn Retail Group. Die Übernahme erfolgt über Jingdong Holding Germany GmbH, eine Tochter von JD.com. Angeboten werden 4,60 € pro Aktie in bar – ein Preis, der 43 % über dem Drei-Monats-Durchschnitt liegt und den Unternehmenswert auf rund 4 Milliarden Euro taxiert.Bereits zugesagte Anteile:
rund 32 % des Aktienkapitals sind JD.com durch verbindliche Vereinbarungen mit den Großaktionären Haniel, Beisheim, Freenet und Convergenta (Familie Kellerhals) sicher.
Die Kellerhals-Familie behält 25,35 % – eine sogenannte Sperrminorität mit strategischem Gewicht.
Eine Mindestannahmeschwelle wurde nicht definiert. JD.com erwirbt die zugesagten Anteile in jedem Fall – und dürfte über kurz oder lang die Mehrheit erhalten, da kein anderer Bieter in Sicht ist. Was JD.com bekommt:
Zugriff auf über 1.000 Märkte in elf europäischen Ländern
Zugang zu einem Jahresumsatz von 22,4 Milliarden Euro
davon 5,1 Milliarden Euro aus dem Onlinegeschäft
Integration von 50.000 Beschäftigten in das globale Netzwerk
Was JD.com verspricht:
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Keine Standortschließungen
Erhalt aller Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
Mitbestimmung im Aufsichtsrat bleibt bestehen
Der Vorstand von Ceconomy bleibt im Amt
Keine Veränderung der Markenstruktur für mindestens fünf Jahre
Diese Garantien gelten zunächst für drei Jahre – ein deutliches Signal für Kontinuität, um Vertrauen bei Belegschaft, Kunden und Öffentlichkeit zu schaffen.

2. Der Käufer aus China: JD.coms globale Strategie trifft europäischen Einzelhandel:
JD.com, mit Sitz in Peking, ist nach Umsatz der größte Einzelhändler Chinas und einer der führenden E-Commerce-Giganten weltweit. Mit einem Umsatz von 159 Milliarden US-Dollar (2024) betreibt JD.com nicht nur Onlinehandel, sondern auch eigene Logistikzentren, automatisierte Lager und KI-gesteuerte Systeme zur Kundendatenanalyse.
Seit über zehn Jahren ist JD.com an der NASDAQ gelistet – nun folgt mit dem Einstieg bei Ceconomy ein bedeutender Schritt nach Europa. Warum Ceconomy?
Synergiepotenziale durch Verbindung von stationärem Handel mit digitaler Plattform
Europa als Wachstumsmarkt für Technologie, Logistik und Handelsnetzwerke
Starke Markenbekanntheit von Mediamarkt und Saturn
Erfahrung im Technologietransfer – JD.com könnte langfristig smarte Lager, KI-gesteuerte Filiallogistik und digitale Einkaufsprozesse einführen.
Doch JD.com ist nicht neu in Europa: Bereits von 2010 bis 2013 betrieb MediaMarkt Filialen in China – der Einstieg nun erfolgt in die andere Richtung. Der aktuelle Deal soll laut Aussagen beider Seiten ein strategisches Wachstum durch Partnerschaft sein – kein Kahlschlag, keine Verdrängung.
3. Reaktionen, Kritik – und ein Blick zurück auf zwei Handelsikonen:
Die geplante Übernahme ist nicht unumstritten. Vor allem die Gewerkschaft Verdi übt Kritik: Die Belegschaft sei erst sehr spät informiert worden, ebenso der Aufsichtsrat.Corinna Groß, Verdi-Bundesfachgruppenleiterin Einzelhandel, warnt:
„Wir müssen jetzt genau hinschauen, dass die Rechte der Beschäftigten gewahrt bleiben.“
Auch der Zeitpunkt der Kommunikation – wenige Tage vor der offiziellen Bekanntgabe – stößt auf Unmut. Verdi kündigte an, JD.com „genau auf die Finger zu schauen“.
Gleichzeitig stellen sich viele Kund:innen Fragen: Bleiben die Marken wie sie sind? Wird der Service besser – oder internationaler, kühler, unpersönlicher? JD.coms Versprechen:
Die Markenidentität von Mediamarkt und Saturn bleibt bestehen. Für mindestens fünf Jahre soll es keine strukturellen Eingriffe geben – weder bei Produkten, Logos, Personalstruktur noch dem Filialnetz.

Ein Blick zurück: Die Geschichte der Marken
1961: Erste Saturn-Filiale in Köln („Saturn-Hansa“)
1979: Eröffnung des ersten MediaMarkt in München
1990: MediaMarkt übernimmt Saturn
Ab 1990er: Mehrheit durch die Metro AG
2017: Gründung der Ceconomy AG als Abspaltung
2025: Einstieg von JD.com
Mediamarkt und Saturn sind nicht nur Verkaufsflächen – sie sind Kulturphänomene des deutschen Konsums, geprägt von grellen Werbeslogans, Technik zum Anfassen und riesigen Märkten mit Erlebnischarakter. Der neue Eigentümer übernimmt mehr als nur Zahlen: Er übernimmt ein Stück deutscher Handelsgeschichte.
🧭 Fazit: Partnerschaft oder schleichende Machtverlagerung?
Die Übernahme von Ceconomy durch JD.com ist ein Wendepunkt – für das Unternehmen, den deutschen Einzelhandel und das europäische Verhältnis zu China.
Die Fakten sprechen zunächst für eine faire Partnerschaft auf Augenhöhe: Kein Personalabbau, keine Schließungen, klare Zusagen zur Unternehmensstruktur. Und doch: Wie viel Einfluss wird JD.com künftig nehmen? Welche digitalen Systeme werden integriert? Bleibt es bei Worten – oder folgen tiefgreifende Änderungen? Derzeit überwiegt der Optimismus. Doch wie in jeder Beziehung wird sich das wahre Gesicht erst im Alltag zeigen. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob dieser Schritt ein Beispiel für gelungene Internationalisierung wird – oder zur Fallstudie für unterschätzte Systemkonflikte.
📌 Hinweis: Dieser Artikel basiert ausschließlich auf Informationen aus folgenden Quellen:
댓글